Registermodernisierung
Das Registermodernisierungsgesetz ist im April 2021 in Kraft getreten. Seitdem diskutiert die öffentliche Verwaltung lebhaft über die Modernisierung von Registern. Heben vernetzte Register den Datenschatz der Verwaltung? Machen sie sie effizienter und bürgerfreundlicher? Oder öffnet die Vernetzung Tür und Tor für gläserne Bürger:innen? Lesen Sie, warum echte Verwaltungsdigitalisierung nicht ohne zeitgemäße Register funktioniert.
Gläserne Bürger:innen durch Registermodernisierung?
Das Registermodernisierungsgesetz soll zum Once-Only-Prinzip führen. Das heißt, bereits in Registern gespeicherte Angaben und Nachweise werden dann behördenübergreifend nutzbar. Was bedeutet die Modernisierung von Registern im täglichen Leben? Schauen wir uns dies am freudigen Ereignis der Geburt eines Kindes an. Leider ist der Verwaltungsaufwand für die Eltern sowohl vor als auch nach der Geburt sehr hoch. Die Eltern melden das Kind beim Standesamt an, beantragen eine Familienversicherung, kümmern sich um Elterngeld und Kindergeld, stellen einen Antrag auf Mutterschaftsgeld, melden die Elternzeit beim Arbeitgeber an. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen. Einige dieser Vorgänge sind bereits per Portal möglich. Am weitesten fortgeschritten ist die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer, was ohne Zutun der Eltern geschieht. Für die restlichen Anträge gilt es, mühsam die Formulare mehrfach mit den gleichen Informationen zu füttern.
Die Registermodernisierung soll all dies vereinfachen. Wäre es nicht schön, wenn smarte Verfahren, die auf modernen Registern aufbauen, aktiv Prozesse initiieren und nur noch fallspezifische Informationen abfragen? Dies würde Familien in dieser Phase stark entlasten und ließe sich leicht auf viele weitere Lebenssituationen übertragen, in denen eine Interaktion mit Behörden notwendig ist.
In einigen Jahren könnte der Anmeldeprozess nach der Geburt eines Kindes daher vereinfacht so aussehen:
- Es sind mit dem Staat, der Krankenkasse und dem Arbeitgeber nur noch drei wesentliche Informationsempfänger involviert.
- Über ein zentrales Portal werden die bekannten Daten, wie die Anschrift, und die gewünschten Elternzeiten über die zwei Wochen Familienurlaub hinaus an alle relevanten Stellen verteilt.
- Der Aufwand für die Eltern ist gering, da Informationen nur einmal hinterlegt werden müssen und Prozesse über ein Häkchen automatisiert angestoßen werden.
Lesen Sie im Beitrag, welche Hausaufgaben der Staat hierfür erst noch erledigen muss, damit diese Fiktion in absehbarer Zeit zur Realität wird.
Welche Aufgabe haben moderne Register?
Die Registermodernisierung wird oft im Zusammenhang mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) genannt. Sie hat jedoch über die Unterstützung des OZG hinaus einen ganz eigenen Stellenwert. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sagt dazu: Sie ist der „Schub aus dem Backend für die Verwaltungsmodernisierung“. Während das OZG vor allem auf die digitale Beantragung einer Leistung abzielt, sind Register der Schlüssel zu einer integrierten, behördenübergreifend funktionierenden digitalen Verwaltung. Smart City-Anwendungen profitieren genauso von modernen Registern wie die Modernisierung von Fachverfahren als Baustein für die digitale Ende-zu-Ende Prozessbearbeitung.
Das Registermodernisierungsgesetz
Relevant im Rahmen des Registermodernisierungsgesetzes sind insgesamt 51 ausgewählte Register. 18 davon genießen Priorität als „Top-Register“. Die dort geführten Daten sind bedeutsam für die Erfüllung des Onlinezugangsgesetzes und den Datenaustausch zwischen Behörden. Erst in weiteren Schritten soll der Anschluss der weiteren Register an die Infrastruktur folgen. Als zentrales Ziel setzt das Gesetz die Ergänzung der Identifikationsnummer. Bei vielen Registern muss hierzu zuerst eine grundlegende Modernisierung erfolgen. Die Register auf Bundesebene werden zum Großteil bereits elektronisch geführt, andere Register auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene existieren noch in Papierform. Modernisierung in diesem Zusammenhang bedeutet vor allem, dass die genutzten Grundlagen beim Neuaufbau und bei der Weiterentwicklung angeglichen werden müssen, um den unermesslichen Datenschatz des Staates zu heben. Somit werden für alle Register technische, architektonische und rechtliche Standards benötigt, die eine Vernetzung erst ermöglichen.
Wie real werden gläserne Bürger:innen?
Vernetzte Register rufen verständlicherweise Datenschützer:innen auf den Plan. Seit Beginn der Diskussion um die Registermodernisierung wird deshalb vor allem auf die Gefahr der übergreifenden Datennutzung durch den Staat hingewiesen. Die Einführung der Steueridentifikationsnummer als bereichsübergreifendes Ordnungsmerkmal für Personen hat bei Datenschützer:innen einen Aufschrei provoziert. Sowohl Bürger:innen als auch Unternehmen erwarten, dass Daten sicher sind vor unbefugtem Zugriff und dass keine Querverbindungen herstellbar sind, die sie „gläsern“ machen. Andererseits muss die Regierung möglichst viele Informationen so verknüpfen, dass sie zukunftsgerichtet planen und steuern kann. Um beiden Anliegen gerecht zu werden, gibt es zwei konkrete Maßnahmen:
1. Zugriffsschutz
Das 4-Corner-Modell, ein modernes Interaktionsmuster für den Datenaustausch, verhindert den unkontrollierten Datenzugriff einer datenabrufenden Stelle. Nur mit einer Legitimation durch eine Prüfinstanz ist der Zugriff auf die Daten eines Registers möglich.
2. Datenschutzcockpit schafft Transparenz
Jeder Abruf von Daten von Bürger:innen wird protokolliert und damit wird nachvollziehbar, welche Behörde, wann mit welchen Daten gearbeitet hat.
Welche weiteren Schritte ergriffen werden müssen, um sowohl rechtlich als auch technisch eine unerlaubte Datennutzung zu unterbinden, debattieren die Mitglieder des IT-Steuerungsprojekts des IT-Planungsrats.
Datenschutz vs. schnelle und effiziente Verwaltung
Wie so oft steht dem Thema Datenschutz das Thema Komfort bzw. Vereinfachung gegenüber. Einfacher soll es für alle werden. Das gilt einerseits für die Bürger:innen und die Unternehmen. Sie müssen nicht für jeden einzelnen Verwaltungsprozess erneut ihre Daten eingeben, sondern nur noch die für den jeweiligen Antrag spezifischen Daten ergänzen – entsprechend dem Once-Only-Prinzip. Andererseits kann die Verwaltung die Anträge auf Basis von qualitätsgesicherten Daten bearbeiten. Das Warten auf Nachlieferung von Daten entfällt und optimalerweise entsteht ein durchgängig digitaler Prozess. Alle profitieren von einem stark beschleunigten Verfahren.
Wie hoch das Potenzial konkret ist, zeigt eine Studie von Bitkom Research. In der analogen Welt dauert der Gang zur Behörde durchschnittlich ca. zweieinhalb Stunden. Bemerkenswert daran ist, wie wenig Zeit davon die eigentliche Bearbeitung des Anliegens beansprucht: nur ungefähr eine halbe Stunde. Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil dieser Zeit dafür genutzt wird, Daten von einem (Papier-)Formular in die Maske eines Fachverfahrens zu übertragen. Die übrigen zwei Stunden entfallen auf An- und Abfahrt sowie Wartezeit. Der digitale Behördengang ist für die Antragsteller sehr viel schneller und komfortabler. Die Verwaltung selbst profitiert beim Verzicht auf Papier von durchgängig digitalen Prozessen, die im nächsten Entwicklungsschritt durch das Wegfallen gesetzlich verankerter Schriftformerfordernisse automatisiert ablaufen könnten: Standardfälle werden ohne Eingreifen des Bearbeiters geprüft und entschieden, während dieser sich auf die komplexen Fälle konzentriert. Dies ist heute schon bei der Einkommensteuererklärung der Fall.
Vernetzung als Schlüsselthema
Ein wichtiger Baustein für die Modernisierung ist das Once-Only-Prinzip. Das bedeutet vereinfacht: Die Verwaltung soll zukünftig Daten auch aus fachfremden Datenquellen abrufen können. Erforderlich ist also eine Interoperabilität und Vernetzung der Datenbestände.
Da viele Daten in Registern vorliegen, ist die Registermodernisierung gleichzeitig einer der wesentlichen Bausteine für die digitale Transformation der Verwaltung. Vernetzte Register, in denen Datensätze eindeutig identifiziert werden können, ermöglichen zum einen die Automatisierung von Prozessen und zum anderen effizientere Verfahren. Automatisierung funktioniert nur im Zusammenspiel mehrerer Behörden und Register, wenn beispielsweise bei der Geburt eines Kindes die Erstellung der Geburtsurkunde gekoppelt sein soll mit der Beantragung des Kindergeldes. Ein gutes Beispiel für effizientere Verfahren ist der Zensus. Gegenüber dem Verfahren von 2011 konnte der Staat einige Jahre später bei der ausschließlich registerbasierten Durchführung 87 Prozent der Kosten einsparen. Außerdem lassen sich digitale Verfahren schneller durchführen, sodass sich der Zensus, wie von der EU gewünscht, sogar jährlich durchführen ließe.
Fazit
Vom zukünftigen Umgang mit den Registern hängt vieles ab: Das Registermodernisierungsgesetz ist ein wichtiger Schritt auf dem begonnenen Weg der Digitalisierung. Das Thema hat allerdings zahlreiche Facetten, die zum Teil mittels weiterer Gesetze, wie z. B. für das Unternehmensbasisdatenregister und den Registerzensus, vorangebracht werden sollen. Andere Teile müssen von den registerverantwortlichen Stellen selbst weitergetrieben werden. Im Fokus steht die gemeinsame Anstrengung aller Akteure, verbindliche Standards zu definieren, insbesondere zur Vernetzung der Register mit anderen Verwaltungsverfahren. Dies legt die Basis für die erfolgreiche Modernisierung von Registern in Deutschland und in Europa. Weitere Zukunftsprojekte, wie zum Beispiel die Automatisierung des Verwaltungshandelns, werden auf den gesammelten Erfahrungen aufbauen.
Es ist essenziell wichtig, Verwaltung aus Sicht der Bürger:innen zu denken. Die Registermodernisierung bietet hierzu die Chance. Denn Registermodernisierung birgt bahnbrechende Veränderungen, die eine völlig neue Interaktion zwischen den antragstellenden Bürger:innen, Wirtschaftsunternehmen und den dienstleistenden Behörden ermöglicht. Die Verwaltung profitiert von weniger komplexen Prozessen und wirkt dem Fachkräftemangel durch Automatisierung entgegen. Voraussetzung für den Erfolg ist die Vorbereitung der Verwaltung auf diesen Schritt. Sie muss sich sowohl technisch als auch kulturell auf die sich veränderte Erwartungshaltung vorbereiten.
Eine besondere Rolle beim Aufbau der technischen Grundlagen übernimmt das Bundesverwaltungsamt (BVA) als Registermodernisierungsbehörde. Materna steht dem BVA beratend und umsetzend zur Seite – sowohl im Bereich der Architektur als auch bei der konkreten Umsetzung der innovativen Ideen zur Schaffung eines einheitlichen Grundgerüstes für Register. Als Mitglied des Register-Architekturboards, das die Weichen für die technologische Zukunft der im BVA eingesetzten Register stellt, wirkt Materna beim Aufbau eines Standards zur Realisierung von Registern mit.
Überdies hat Materna in den vergangenen Jahren ein umfassendes Verständnis für die Anforderungen an Register aufgebaut. Als Realisierer von Registern sowie der Register-Querschnittskomponenten genießt Materna umfangreichen Einblick in die Registerlandschaft des BVA. Die Komponenten bilden die Grundlage für die Erstellung moderner Register.